Am 10. Februar 2023 fand bereits zum 34. Mal die Denkfabrik Legal Tech der Initiative Rechts- und Justizstandort Bayern in hybrider Form im Justizpalast in München sowie online statt. CDPS-Direktor Prof. Dr. Dirk Heckmann referierte in diesem Rahmen zu einem möglichen (grund-)rechtlichen Anspruch auf Legal Tech.
Kernpunkt des Vortrags war die Feststellung, dass digitale Tools Bürger und Bürgerinnen die Chance bieten, Grundrechte dort aktiv wahrzunehmen, wo diese zuvor aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht genutzt werden konnten.
Als verfassungsrechtliche Schlussfolgerungen formulierte Prof. Dr. Heckmann dabei fünf Thesen:
1. These: Es besteht eine grundrechtlich verstärkte Schutzpflicht des Staates, hierfür technologische Lösungen zu fördern und einzusetzen.
2. These: Das betrifft sowohl die Digitalisierung von Justiz und gerichtlichen Verfahren im Allgemeinen als auch die Rechtsverwirklichung in einzelnen grundrechtlich geschützten Lebensbereichen.
3. These: Früher konnte man noch so etwas wie eine „objektive Unmöglichkeit“ geltend machen, wenn die Rechtsdurchsetzung an faktische Grenzen einer überlasteten Justiz, auf Vollzugsdefizite der Verwaltung oder Kapazitätsengpässe staatlicher Aufgabenerledigung stieß. Heute gelten solche Restriktionen nur eingeschränkt, erlaubt die Digitalisierung mit ihren IT-Lösungen doch hocheffiziente Geschäftsprozesse.
4. These: Zwar hat der Staat auch insofern einen Gestaltungsspielraum, wie er seine vielfältigen Aufgaben, auch im Bereich von grundrechtlichen Teilhaberechten und Schutzpflichten erledigt. Einsatzbereite technische Lösungen unterdessen zu ignorieren, kann das rechtsstaatliche Untermaßverbot verletzen – besonders wenn eine Risikofolgenabschätzung dem Technologieeinsatz weitaus größere Chancen als Risiken einräumt.
5. These: Das „Grundrecht auf Legal Tech“ ist mit gleichrangigen gegenläufigen Pflichten abzuwägen und kann insbesondere bedeuten, dass bestimmte IT-Lösungen nur sukzessive zum Einsatz kommen. Allemal besteht aber eine Obliegenheit des Staates, für die Implementierung solcher Lösungen eine „Legal Tech Strategie“ vorzulegen, die im Hinblick auf die Analyse von Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken (SWOT-Analyse) plausibel erscheint. Der derzeit noch bestehende Gestaltungsspielraum des Staates ist kein Freibrief für sorgloses Außerachtlassen.
Im Anschluss demonstrierte Sebastian Nagl die Potentiale und Grenzen gängiger textgenerierender AI für Juristen und Juristinnen am Beispiel von ChatGPT. Neben technischen Grundlagen brachte er einige praktische Beispiele mit, welche die generelle Eignung für Entwürfe und Zusammenfassungen zeigte, daneben aber auch Schwachstellen und Risiken offenlegte, insbesondere auf Faktenebene.
Präsentationsfolien von Prof. Dr. Dirk Heckmann und Herrn Sebastian Nagl zum (Grund-)Recht auf Legal Tech sind hier einsehbar.