Eine Woche voller Legal Tech für jedermann – so lautete das ambitionierte Ziel des Legal Loves Tech Hackathons (LLT), der vom 2. bis 8. Januar 2023 stattfand. Neben der Bewältigung einer Hackathonaufgabe wurde ein umfassendes Rahmenprogramm mit Workshops, Vorträgen und weiteren Challenges geboten, sodass jede:r unabhängig von Vorkenntnissen und Interessensschwerpunkten einen Zugang zum Thema Legal Tech erhalten konnte.
Rund 150 Studierende aus ganz Deutschland und den verschiedensten Disziplinen kamen remote zusammen, um von Legal Tech Expert:innen zu lernen, sich auszutauschen und in über 25 Teams mit ihren entwickelten Lösungen die Jury zu überzeugen. Dabei konnten die Teams aus von den Veranstalter:innen gestellten Problemen auswählen, auf die durch das Kursprogramm dezidiert vorbereitet wurde, oder eigene Herausforderungen mitbringen, denen sie mit ihrem Legal Tech Tool begegnen wollten.
Zum offiziellen Start des Hackathons am 2. Januar richtete der Bayerische Staatsminister der Justiz Georg Eisenreich als Schirmherr des LLT motivierende Worte an die Teilnehmenden und betonte die Chancen von Legal Tech in der Breite sowie die Wichtigkeit von Formaten wie dem LLT Hackathon.
Anschließend startete das inhaltliche Rahmenprogramm mit Impulsen von Dirk Hartung und Bernhard Waltl, die die Möglichkeiten rund um Legal Tech aus rechtlicher und operativer Sicht darstellten. Abgerundet wurde der Tag durch einen Workshop zum Thema Ideenentwicklung und Prototyping, in dem Marianna Matokhniuk und Manuel Geitner ihre wertvollen Erfahrungen aus der Start-Up-Beratung teilten.
Am zweiten Tag wurden den Teams zahlreiche Tools und Ansätze für ein effektives und zielgerichtetes Arbeiten an die Hand gegeben, um das Ziel, nämlich bis zum Ende der Woche einen Prototyp zu entwickeln, erreichen zu können. Die Workshops konzentrierten sich unter anderem auf agile Arbeitsmethoden, Produktentwicklung, verschiedene mögliche Geschäftsmodelle sowie den Umgang mit unterstützender Software. Unter den Vortragenden war mit Debbie Blume und Nico Stumpf auch der Digital Service vertreten, der an digitalen Lösungen für die Bundesverwaltung arbeitet und somit einen Einblick in die Möglichkeiten für Legal Tech im Staat ermöglichte. Darüber hinaus nahm Martin Fries die Teilnehmenden mit dem ersten rechtlichen Vortrag an die Hand und zeigte Potentiale und (juristische) Herausforderungen für die Entwicklung eines Fristen-Chatbots auf.
Der dritte Tag konzentrierte sich auf die technische Umsetzung der Legal Tech Tools. Sebastian Nagl startete mit dem ersten Teil des Coding Kurses und am Beispiel von Open Decision erhielten die Teilnehmenden einen Blick auf die Möglichkeiten von Open Source Software für die eigene Produktenwicklung. Der rechtliche Vortrag des Tages befasste sich mit dem Geschäftsmodell von sog. „Abmahnanwälten“, die Abmahnungen in großer Zahl verschicken und dabei teils auf Automatisierung zurückgreifen, und welche (technischen) Möglichkeiten bestehen, Laien bei der Abwehr der teilweise ungerechtfertigten Abmahnungen zu unterstützen. Abgerundet wurde der Tag durch die Einblicke von Vadym Kuzmenko, der auf seine eigenen Erfahrungen beim Aufbau eines Legal Tech Start-Ups einging. Dabei verriet er unter anderem, welche Bedeutung frühzeitiges Marketing hat und wie man am besten mit unerwarteten Marktänderungen umgehen sollte.
Am Donnerstag konzentrierten sich die Teams nochmals auf die Kernthemen: Legal und Tech. Dirk Heckmann beleuchtete unter dem Titel „Gemeinfrei und Gemeinwohl“, welche Daten durch Legal Tech Anwendungen problemlos genutzt werden können und wo es aus urheberrechtlichen Gründen knifflig werden kann. Sebastian Nagl versammelte das engagierte Teilnehmerfeld zudem in seinem zweiten Teil des Coding Kurses. Der Abend schloss mit weiteren Einblicken von Vadym Kuzmenko zur Rolle von Investoren beim Aufbau eines Legal Tech Start-Ups.
Mit dem fünften Tag des LLT Hackathons folgte der letzte inhaltlich intensive Tag für die Teams. Neben dem letzten Teil des Coding Kurses folgten mit den Vorträgen von Matthias Grabmair („Data driven work for lawyers“) und Ann-Kristin Mayrhofer zu elektronischen Postfächern nochmals echte Highlights. Darüber hinaus lud das Liquid Legal Institute am Abend zu einem zwanglosen Austausch am digitalen open table ein.
Nachdem die letzten 48 Stunden bis zum großen Finale am Sonntag angebrochen waren, folgte die wohl arbeitsintensivste Zeit für die Teams. Den gesamten Samstag über wurde fleißig konzipiert, an den Prototypen gebaut und die Pitches ausgearbeitet. Einen letzten Schliff erhielten die Finaleinreichungen durch eine Einführung ins Marketing sowie ein ausführliches Pitch-Training, in dem die Teams insbesondere auf die Bedeutung von Storytelling aufmerksam gemacht wurden.
14 Teams qualifizierten sich schließlich für das große Finale am Sonntagnachmittag und präsentierten die von ihnen entwickelten Lösungen. Dabei hatten sie jeweils vier Minuten Zeit, um die Jury restlos von ihrer Idee zu überzeugen. Die Jury, bestehend aus Kirsten Rulf, Nicole Formica-Schiller, Matthias Grabmair, Ann-Sophie Blaser und Sarah Rachut, tat sich bei der Vielzahl und der Qualität der Einreichungen sichtlich schwer, die Gewinnerteams zu küren. Bevor die ersten drei Plätze verkündet wurden, betonte Ann-Sophie Blaser nochmals, wie intensiv sich die Jury mit jeder einzelnen Idee auseinandergesetzt habe.
Letztlich konnten sich in den Augen der Jury jedoch drei Teams absetzen:
Der erste Platz ging an das Team „ComplAI“, die mit ihrer Lösung auf die Probleme kleinerer Unternehmen eingingen. Damit diese stets den Überblick über Gesetzesänderungen, anstehende Neuregulierungen und für sie wichtige Gerichtsentscheidungen behalten können, entwickelte ComplAI ein Benachrichtigungstool. Matthias Grabmair betonte bei seiner Gratulation die Relevanz und Cleverness der Idee. Besonders hervorzuheben sei außerdem, dass das Konzept bereits relativ weit ausgereift sei und ein existierendes Problem vieler (Klein-)Unternehmer adressiere.
Platz zwei konnte sich das Team „LiKA“ sichern, die einen Lieferkettenassistenten zur Bewältigung der durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) aufgestellten Anforderungen entwickelten. Kirsten Rulf ging in ihrer Laudatio auf die unmittelbaren und mittelbaren Folgen des LkSG ein und zeigte die Bedeutung dessen auf. LiKA leiste hierbei einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung und stelle einen zusätzlichen Anreiz für Unternehmen dar, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Das Gewinnerteam des dritten Platzes verkündete Nicole Formica-Schiller. Sie zeigte sich allgemein begeistert von der Vielfalt der gepitchten Ideen und sah beachtliche Entwicklungen im Vergleich zu ihren früheren Studienerfahrungen. Besonders überzeugen konnte die Jury auch der Prozesskostenkompass. Dieser bietet einer großen Anzahl von Personen unmittelbare und leicht verständliche Unterstützung bei der Beantragung von Prozesskostenhilfe und fördert so den Zugang zum Recht. Er hilft unkompliziert dort, wo Hilfe dringend gebraucht wird. Der bereits sehr weit entwickelte Prototyp sicherte dem Team so den dritten Platz.
Auch Schirmherr Georg Eisenreich zeigte sich begeistert von den entwickelten Lösungen und lud – wie bereits beim letzten Hackathon – das Siegerteam zu einem Gespräch im Bayerischen Staatsministerium der Justiz ein. Daneben kann sich das Team von ComplAI über den begehrten LLT Pokal, 2.500 Euro Preisgeld und ein Interview in der Zeitschrift Recht Digital (RDi) freuen.
Der LLT Hackathon lebte über die gesamte Woche von einer engagierten Community, die sich Tag und Nacht über die eingerichteten Slack Channels austauschte und Problemen stets mit einer gewissen Prise Humor begegnete. So wundert es nicht, dass die Teilnehmenden auch rege den eingerichteten Meme-Channel befüllten. Bis zuletzt wurde hier gepostet, um sich noch eine Chance in der parallelen Meme Challenge zu sichern. Das Organisationsteam (Sebastian Nagl, Sarah Rachut, Muskaan Multani, Fabian Wiedemann, Ann-Sophie Blaser und Charlie Tiehm) konnte diese erfolgreiche Woche somit mit Glückwünschen an die Gewinnerteams und einem großen Dank an alle Teilnehmenden, für das außerordentliche Engagement der Vortragenden und Jurymitglieder sowie für den Einsatz des Schirmherrn schließen.