Julia Kloiber (FNMA 2024 Gewinnerin)
Julia Kloiber ist Mitgründern der gemeinnützigen Organisation Superrr Lab. Sie hat eine Reihe von Initiativen und Organisationen gestartet, die erproben wie Technologie gewinnbringend für die Gesellschaft eingesetzt werden kann. Unter den Gründungen sind der Prototype Fund, ein öffentlicher Fund für Public Interest Tech und das Netzwerk Code for Germany. In ihrer aktuellen Arbeit befasst Sie sich mit Zukunftsnarrativen für eine gerechte Digitalisierung. Julia Kloiber ist Mitglied im Beirat zur Digitalstrategie des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, sie ist im Aufsichtsrat des DigitalService und im Advisory Board der deutschen Postcode Lotterie. Sie schreibt eine regelmäßige Kolumne für den MIT Technologie Review Deutschland.
Was bedeutet für Dich gemeinwohlorientierte Digitalisierung?
Eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung erkennt man daran, dass sie Menschen Zugang ermöglicht, anstatt Barriere zu sein. Dass es um Teilhabe statt um Profite geht. Dass sie menschen- und nicht technikzentriert ist. Sie fußt auf einer Digitalpolitik, die sich als Gesellschaftspolitik versteht. Denn bei der Digitalisierung geht es um grundlegende soziale Fragen, um Mitgestaltung, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit. Eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung bedeutet einen Paradigmenwechsel: Weg von „höher, schneller, weiter“; hin zu „nachhaltiger, gerechter, menschenzentrierter“. Ziel ist es, dass alle Menschen von technischen Fortschritten profitieren.
Welchen Beitrag für eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung leistest Du mit Deiner Arbeit?
Projekte, die Großes voranbringen, fußen selten auf der Brillanz eines einzelnen Individuums, sondern sind das Ergebnis von Teamarbeit. Das gilt auch für meine Arbeit. In den letzten 10 Jahren habe ich eine Reihe an Initiativen gestartet, die sich allesamt damit beschäftigen, wie wir gerechte und inklusive digitale Zukünfte Realität werden lassen. Von der Community Code for Germany, die in 20 Städten deutschlandweit digitale Werkzeuge für Bürger*innen baut, bis hin zum Prototype Fund, ein Förderprogramm, das über 15,5 Millionen € an gemeinnützige Digitalprojekte vergibt. Aktuell arbeite ich mit meiner Organisation Superrr Lab daran, die prekären Arbeitsbedingungen von Content Moderator*innen zu verbessern. Sie sind die unsichtbaren Putzkräfte unseres Internets, die dafür sorgen, dass Gewalt und Hetze auf unseren Social Media Plattformen nicht ausufert. Leider tun sie dies unter sehr schlechten Bedingungen. Dank dieser Arbeit gab es im letzten Jahr ein Fachgespräch im Digitalausschuss des Deutschen Bundestags, die nächste Etappe sind bessere gesetzliche Vorschriften im Gesundheitsschutz. Ich bin überzeugt, um eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung umzusetzen, muss man diejenigen gesellschaftlichen Gruppen ins Zentrum rücken, die am stärksten von den negativen Folgen der Digitalisierung betroffen sind – das ist auch der Startpunkt meiner Arbeit.
Was gefällt Dir an den beiden anderen Mitnominierten?
Katharina Zweig ist wahnsinnig gut darin, komplexe Themen so aufbohren und zu erzählen, dass sie einem breiteren Publikum zugänglich werden. Das zu können, obwohl man tief in den technischen und wissenschaftlichen Details der Themen steckt, bewundere ich sehr. Lina Keßler ist jemand, der an den Schnittstellen arbeitet, in ihrem Fall an der Schnittstelle von Recht, Mensch und Technologie. Mir gefällt an Lina, dass sie in ihrem Job als Gründerin unterschiedliche Disziplinen gewinnbringend vereint. Auch in ihrem eigenen Lebenslauf: sie ist Juristin, UX-Designerin und Product Owner – eine Kombination mit ganz viel Potenzial für eine bessere Digitalisierung!
Tag 1 – Galaabend
Lina Keßler (FNMA 2024 Nominierte)
Lina Keßler (geb. Krawietz) ist Mitgründerin und Geschäftsführerin der auf den Rechtsbereich spezialisierten Innovationsberatung This is Legal Design. Als Juristin und Legal Designerin gestaltet sie seit 2018 innovative, ganzheitliche und nachhaltige Lösungen an der Schnittstelle von Mensch, Recht und Tech – für eine zukunftsfähige, digitale Gesellschaft und Wirtschaft. Für ihre Arbeit wurde sie im November 2020 mit dem European Women of Legal Tech Award in der Kategorie “Professional Services” ausgezeichnet.
Was bedeutet für Dich gemeinwohlorientierte Digitalisierung?
Gemeinwohlorientiere Digitalisierung bedeutet für mich, dass der Mensch in den Mittelpunkt aller Innovationsprozesse gestellt wird. Es muss immer darum gehen, digitale Lösungen im Sinne unserer Gesellschaft als Ganzes zu denken. Der Einsatz und die Weiterentwicklung von digitalen Anwendungen sollte daher stets mit einer bewussten Abwägung ihrer möglichen Folgen für alle einhergehen. Die digitale Transformation unserer Gesellschaft, Wirtschaft und unseres Rechtssystems kann m.E. letztendlich nur dann gelingen, wenn die dabei entstehenden Lösungen ganzheitlich, nachhaltig und mensch-zentriert realisiert werden.
Welchen Beitrag für eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung leistest Du mit Deiner Arbeit?
Meine Mission ist es, Recht als wesentlicher Funktion unserer Gesellschaft zu mehr Wirksamkeit zu verhelfen. Als Juristin, Legal Designerin und Gründerin der auf den Rechtsbereich spezialisierten Innovationsberatung “This is Legal Design” entwickle ich innovative Lösungen, die Recht zugänglicher, verständlicher, effektiver & effizienter machen – z.B. Richtlinien und andere juristische Dokumente, Prozesse, Services, digitale Tools und Ökosysteme. In Zeiten von KI ist es mir dabei ein besonderes Anliegen, so viele Jurist:innen wie möglich dazu zu befähigen, selbst an interdisziplinären, iterativen Innovationsprozessen teilzuhaben und die Zukunft des Rechts im Sinne unserer Gesellschaft zu proaktiv mitzugestalten.
Was gefällt Dir an den beiden anderen Mitnominierten?
Alles! Julia Kloiber leistet einen bemerkenswerten Beitrag dazu, dass die fortschreitende Digitalisierung aller Lebensbereiche die diversen Bedarfe unserer Zivilgesellschaft und die Werte einer intersektionalen, feministischen Digitalpolitik berücksichtigt. Prof. Katharina Zweig durfte ich bereits vor einigen Jahren live dabei lauschen, wie sie die Mechanismen der künstlichen Intelligenz und ihre inhärenten Chancen & Risiken für unsere Gesellschaft auf unglaublich zugängliche und praktische Art und Weise vermittelt hat. Es braucht Menschen wie Julia und Katharina, um die Rahmenbedingungen für eine lebenswerte Zukunft zu definieren und diese erfolgreich zu umzusetzen.
Tag 1 – Galaabend
Katharina Zweig (FNMA 2024 Nominierte)
Studium der Biochemie und der Bioinformatik in Tübingen, Postdoc in der statistischen Physik an der ELTE (Ungarn), seit 2012 Professorin für Informatik. Koordinatorin des deutschlandweit einzigartigen Studiengangs Sozioinformatik. Sie forscht zur zuverlässigen Entscheidung mit Maschinen, war Mitglied der Enquete-Kommission KI 2018-2020, zweifache Bestsellerautorin, ausgezeichnet mit dem DFG Communicatorpreis (2019). Berät Politik, Gesellschaft und Firmen zur vertrauenswürdigen Nutzung von KI-Systemen.
Was bedeutet für Dich gemeinwohlorientierte Digitalisierung?
Wir Menschen haben in den letzten Jahrzehnten immer mehr Prozesse digitalisiert und damit automatisiert. Damit ein Computer eine Automatisierung leisten kann, müssen viele Entscheidungen getroffen werden – wenn es um die Weiterbildungsmöglichkeiten von Arbeitslosen geht, muss z.B. entschieden werden, welche Eigenschaften der Personen zugrundegelegt werden sollen. Jede dieser Entscheidungen hat gesellschaftliche Konsequenzen und will daher gut durchdacht sein. Eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung denkt über die möglichen Technikfolgen VOR Einsatz der Software nach und justiert das Softwaredesign so, dass Risiken vermieden und Chancen erhöht werden.
Welchen Beitrag für eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung leistest Du mit Deiner Arbeit?
Um das zu erreichen, brauchen wir auf der einen Seite aufgeklärte Softwaredesigner: dafür habe ich an der RPTU den Studiengang Sozioinformatik entwickelt. Auf der anderen Seite brauchen wir aufgeklärte Verwender und Anwender: Um jeden Bürger und jede Bürgerin über die Folgen von (schlecht) designter Software aufzuklären, schreibe ich meine Bücher, entwickle Ausstellungsstücke für Museen und Messen, gebe Interviews und halte Vorträge. Die interessante Entdeckung dabei ist, dass schon ein bisschen mehr Wissen über die zugrundeliegende Technologie schnell eine Intuition darüber geben kann, was Software kann und was nicht. Insbesondere zum Thema Künstliche Intelligenz habe ich in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass selbst eine kurze interaktive Übung mit einem Schaschlikspieß und zwei Klebestreifen für ein Verständnis von maschinellem Lernen sorgen kann. Diese Übung haben meine Mitarbeiter und ich inzwischen mit weit über 10.000 Personen durchgeführt und sie sorgt jedes Mal für ein Aha-Erlebnis. Nicht zuletzt berate ich zu diesen Themen auch nach meiner Zeit bei der Enquetekommission für „Künstliche Intelligenz“ regelmäßig die Politik, damit auch hier die notwendigen technischen Fundamente vorliegen. Damit ich das alles nicht mehr alleine machen muss, habe ich zudem 2019 mit Tobias Krafft und meinem Mann die Firma „Trusted AI“ gegründet, die seitdem Kunden zu allen Fragen rund um vertrauenswürdige KI berät.
Was gefällt Dir an den beiden anderen Mitnominierten?
Legal Tech ist eine der vielen Anwendungen von Software und insbesondere KI in einem enorm wichtigen gesellschaftlichen Bereich, dem Recht. Ich freue mich, dass Lina Keßler hier ansetzt, um Kanzleien dabei zu helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Nur wer versteht, was die Software für ihn übernehmen kann und was nicht, wird von einer Digitalisierung profitieren. Besonders wichtig ist die Hinterfragung der vielen Designentscheidungen bei Software, die auf Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen trifft: Daher ist der Aspekt der Diversität bei Softwareentwicklungen so bedeutend und noch weithin völlig unterschätzt. Nun kümmert sich Julia Kloiber mit SUPERRR nicht nur um die Frage, wie Software möglichst vielen Menschen gerecht (!) werden kann – das alleine ist schon ein Lebenswerk. Nein, sie hat auch noch andere Projekte gegründet, wie Code for Germany und dem Prototype Fund, die diese Leitsätze aktiv umsetzen und Code für das Gemeinwohl erstellen. Dieses Engagement beeindruckt mich zutiefst!
Die Nominierungen zeigen damit, auf wie unterschiedliche Art und Weise man sich für gemeinwohlorientierte Digitalisierung einsetzen kann.
Tag 1 – Galaabend
Laudatorin: Isabelle Ewald
Isabelle Ewald (*1980) ist Preisträgerin des For..Net Media Awards 2021, den sie für ihr Engagement als „Cyber-Aufklärerin“ verliehen bekommen hat. Als Co-Host des Podcasts Mind the Tech: Cyber, Crime, Gesellschaft wirft sie seit Mai 2020 als eine der wenigen Frauen in diesem Bereich einen ungefilterten Blick hinter die Kulissen des digitalen Wandels. Als Moderatorin, Speakerin und Impulsgeberin tut sie dies inzwischen auch bei Konferenzen und Fachtagungen. Auch hauptberuflich beschäftigt sich Isabelle Ewald mit Cybersicherbeit: als Managerin Information Security Awareness beim Wirtschaftsprüfungsunternehmen BDO Germany. Davor war sie Tech-Strategy-Consultant beim Handels- und Dienstleistungskonzern Otto Group. Die gebürtige Hamburgerin ist verheiratet und Mutter eines 14-jährigen Sohnes.
Tag 1 – Galaabend: Laudatio für den 5. For..Net Media Award
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